Emder Umgehungsbahn

Karte Umgehungsbahn EmdenNach dem Bau der Ostfriesischen Küstenbahn war die Situation für den durchgehenden Zugverkehr in Emden sehr unbefriedigend: Die Züge mussten aus dem Emder Bahnhof rückwärts bis über die Weichen auf die freie Strecke zurücksetzen, um dann auf die Küstenbahn gelangen zu können. Züge, die zum Borkumanleger im Außenhafen fuhren, mussten dann in Larrelter Straße (später „Emden West“, heute Emden Hbf) noch einmal Kopf machen.
Bereits um 1900 sann man darauf, durch den Bau einer Umgehungsbahn Abhilfe zu schaffen. Emden wäre dadurch zu einem normalen Kopfbahnhof mit Ein- und Ausfahrten in bzw. aus Richtung Leer und Norden geworden. Züge zum Emder Außenhafen hätten dann ebenfalls die Umgehung benutzt, hätten die Haltestelle Larrelter Straße aus nördlicher Richtung erreicht und ohne Fahrtrichtungswechsel zum Außenhafen weiterfahren können. Alternativ wurde daran gedacht, gleich einen neuen Hauptbahnhof an der Auricher Straße anzulegen.
1905 nimmt die Königliche Eisenbahndirektion Münster die Vorarbeiten auf. Zum 1. April 1913 wird in Emden eine „Königliche Bauabteilung für die Umgehungsbahn (2. Gleis Emden – Emden-Außenhafen)“ unter Regierungsbaumeister Böhme eingerichtet, die sich im Haus Neue Straße 1 niederlässt . – Und schon 1911 merkt ein Zeitgenosse an, welche Verschandelung das Landschaftsbild doch durch die notwendigen Brücken und hohen Bahndämme erfahren würde.
Ein Entwurf für ein preußisches „Eisenbahnanleihegesetz“ vom 24.03.1914 [abgedruckt im Jahrgang des Zentralblattes der Bauverwaltung, S. 207-208] enthält im Abschnitt „Deckung der Mehrkosten für bereits genehmigte Bauausführungen“ unter anderem 1.500.000 Mark für den Bau „des zweiten Gleises auf der Strecke Emden-Abzweigung nach dem Außenhafen bei Emden (Ostfriesische Küstenbahn) und Verlegung dieser Bahn von der West- auf die Ostseite der Stadt Emden.“

Umgehungsbahn 1914
Zeitschrift für Bauwesen, Jahrgang LXIV 1914, Blatt 37 (Ausschnitt)

Der Bau kommt zunächst gut voran. Die Brücke über das Fehntjer Tief wird fast vollendet (in der Karte bei A), für die Brücken über den Ems-Jade-Kanal (B), das Treckfahrtstief (D) und das Hinter Tief (E) werden noch die Widerlager zumindest in großen Teilen fertiggestellt. Und auch dort, wo die Umgehungsbahn die Wolthuser Straße hätte überqueren sollen (C), verbergen sich noch Reste der Fundamente im Boden.
Dann allerdings unterbricht der Erste Weltkrieg die Arbeiten und in der Folge schläft das Projekt völlig ein. Zum 15. Oktober 1920 löst schließlich die Eisenbahndirektion Münster die Bauabteilung Emden offiziell auf. Allerdings heißt es in der 1935 erschienenen Denkschrift „40 Jahre Eisenbahndirektion Münster“ noch: „Die Bauarbeiten ruhen bis auf weiteres.“
Mit dem Umbau der Haltestelle Larrelter Straße in den Bahnhof Emden West (1935-37) und der Verlegung des Hauptbahnhofes dorthin (1971) wird die Umgehungsbahn schließlich unnötig.

Luftaufnahme von Emden
Bundesarchiv Nr. 168-50-21, Ausschnitt (CC BY-SA 3.0)

Wie weit die Arbeiten schon gediehen waren, lässt sich gut auf diesem Ausschnitt eines Luftbildes erkennen, weil das längst aufgegebene Vorhaben die Grundstücke deutlich teilt. (Das Bild ist nicht datiert, da aber der Bunker Friesland noch fehlt, muss es vor 1942 aufgenommen worden sein.)
Ausgehend etwa von der Brücke der Emslandstrecke über die Petkumer Straße macht die Trasse einen Bogen, um dann parallel zum Borssumer Kanal nach Norden Richtung Ems-Jade-Kanal zu verlaufen. Die Brücke über das Fehntjer Tief ist gut zu erkennen (in der Karte bei A). Zwei Strukturen an der Petkumer Straße sehen so aus, als ob auch hier schon die Widerlager für die neue Brücke fertiggestellt waren.


Brücke Fehntjer TiefDas Fehntjer Tief, im Stadtplan bei „A“ (Foto vom 07.08.2016). Es handelt sich hier um die einzige fertiggestellte Brücke der Strecke. Sie ist in Emden als „Sandbrücke“ bekannt und dient heute als Straßenbrücke, darüber verläuft die Braunsberger Straße.


Brücke Ems-Jade-KanalDer Ems-Jade-Kanal, im Stadtplan bei „B“ (Foto vom 01.05.2006). Die drei aus Eisenbeton gefertigten Pfeiler für die Brücke sind gut zu erkennen. Deren geringe Höhe und die Anordnung zeigen, dass hier eine Drehbrücke vorgesehen war.


Treckfahrtstief, Emden, 2018
Foto: Thomas Feldmann, 25.02.2018

Das Treckfahrtstief, im Stadtplan bei „D“. Die Ausführung des Widerlagers am Westufer des Tiefs zeigt deutlich, dass die Brücke hier schräg über das Wasser führen sollte. Am gegenüberliegenden Ufer ist kein Pfeiler vorhanden und dort scheint auch nie einer gestanden zu haben.


Brücke Hinter Tief, Ostufer
(Diese beiden Fotos wurde mir freundlicherweise von jemandem zur Verfügung gestellt, der ungenannt bleiben möchte.)

Für die Brücke über das Hinter Tief (in der Übersichtskarte bei „E“) wurden – etwa 130 Meter nördlich der Gänsebrücke – bereits beide Widerlager errichtet. Der Pfeiler am östlichen Ufer wurde irgendwann zu einem Schuppen erweitert.

Brücke Hinter Tief, Westufer

Der Beton auf dem Westufer wird dagegen langsam von der Natur erobert.


© Thomas Feldmann, Emden (Ostfriesland)
letzte Änderung 29.08.2023 (erstellt 05.11.2006)